Ein Beitrag zur aktuellen Debatte.
Extremistischer Islamismus:
Der Begriff Islamismus wird unterschiedlich interpretiert. Eine häufig verwendete wissenschaftliche Definition beschreibt Islamismus als eine Ideologie, die darauf abzielt, das gesellschaftliche, rechtliche, kulturelle, politische und staatliche Leben gemäß islamischen Werten und Normen zu gestalten. In extremen Ausprägungen kann diese Ideologie Gewalttaten und Terroranschläge befürworten.
(Quelle: https://mediendienst-integration.de/desintegration/extremistischer-islamismus.html
Radikalisierung verstehe und verhindern:
Radikalisierung ist ein Phänomen, welches auf verschiedenen Ebenen untersuchbar ist. Auf einer psychischen Ebene suchen Einzelpersonen Halt, nach Sinn und nach Antworten, und geraten dabei an Menschen, die es verstehen dieses Suchen aufzugreifen und zu nutzen. Auf der Ebene der Gesellschaft kann Radikalisierung insbesondere auf Fragmentierung und Isolation gewisser Gruppen hindeuten. Diese streben nach einer Neuordnung der Machtverhältnisse. Radikalisierungsprozesse ähneln sich, ob nun islamistisch, rechtsextrem oder christlich-fundamentalistisch. Insbesondere junge Menschen sind dabei besonders gefährdet und auch gesellschaftliche Benachteiligungen wie Armut oder Diskriminierungserfahrungen können Risikofaktoren sein. Radikalisierung findet oft im Internet statt, wo extremistische Gruppen gezielt Jugendliche ansprechen. Doch selbst, wenn die Radikalisierung online beginnt, zeigt sie sich früher oder später auch im realen Leben. Schulen, Arbeitsplätze und das private Umfeld spielen eine zentrale Rolle, um Anzeichen von Radikalisierung frühzeitig zu erkennen. Hier sind Lehrkräfte, Kolleg*innen und Familienmitglieder gefragt, um gefährdete Personen zu unterstützen und ins Gespräch zu kommen.
Abschiebung vs. Präventionsarbeit:
Es wird oft gefordert, radikalisierte Personen abzuschieben oder ihnen die Staatsbürger*innenschaft zu entziehen oder präventiv bestimmte Religionsgruppen oder Nationalitäten auszuschließen. Solche Maßnahmen sind jedoch nicht die Lösung, um Radikalisierungen zu verhindern. Vielmehr führen sie zu Ausgrenzung und verstärken das Gefühl der Isolation, was wiederum extremistische Tendenzen fördern kann. Prävention durch Bildung und Integration ist der effektivere Weg.
Warum Prävention wichtiger ist als Abschiebung:
Anstatt auf harte Maßnahmen wie Abschiebungen zu setzen, sollten wir uns auf Präventionsarbeit konzentrieren. Gut ausgestattete Schulen, regelmäßige Fortbildungen für Lehrkräfte, Elterngespräche mit Dolmetscher*innen und ein respektvoller Umgang im Arbeitsumfeld sind essentiell, um extremistischen Strömungen entgegenzuwirken. Der Abbau gruppenbezogener Diskriminierungen und die Verbesserung von prekären Lebensrealitäten könnten helfen, damit Menschen sich angenommen und respektiert fühlen – dann sind sie weniger empfänglich für extremistische Ideologien.
Rassismus:
Interessant ist auch, dass nur einige extremistische Erscheinungen ganzen Gruppen zugeschrieben werden. Bei einem terroristischen Akt eines Syrers, der islamistisch radikalisiert wurde und als Geflüchteter in Deutschland lebte, werden anschließend Maßnahmen diskutiert, die die Gefahr anscheinen in der ganzen Gruppe der Syrer*innen verorten. Muslimische Menschen geraten dann unter Generalverdacht, Syrer*innen oder sogar Geflüchtete insgesamt. Wobei innerhalb dieser Gruppe ganz offensichtlich eine riesige Vielfalt herrsch und der Täter wahrscheinlich wenig mit einer geflohenen Oma aus dem Jemen zu tun hat.
Bei rechtsextremen Taten geht die Verurteilung nicht direkt auf alle Deutschen über. Selbst bei wirklich offen rechtsextrem auftretenden Personen denken sich anscheinend viele Menschen noch: „Ach, die sind doch gar nicht so gefährlich, die kann man ruhig noch wählen.“ Kriminolog*innen sind sich einig, dass Herkunft kein ursächlicher Faktor für Radikalisierung ist. Viel signifikanter sind andere Merkmale, insbesondere das Geschlecht. Trotzdem gibt es im Zuge der aktuellen Debatten keinen Ruf nach der Ausweisung aller Männern. Hier scheint es leichter zu sein, den Unsinn solcher Verallgemeinerungen zu erkennen.
Was gegen Radikalisierung wirklich hilft:
Um Radikalisierung wirksam entgegenzuwirken, brauchen wir langfristige und gut finanzierte Präventionsprojekte. Diese sollten auf Integration und Chancengleichheit setzen, Diskriminierungen entgegenwirken und Menschen dabei unterstützen, sich in der Gesellschaft eingebunden zu fühlen. Prävention beginnt bei den Ursachen: Isolation, Perspektivlosigkeit und das Gefühl von Ungerechtigkeit müssen adressiert werden. Leider wird die Arbeit solcher Projekte bundesweit immer weniger gefördert bzw. die Finanzierungen werden immer unsicherer. Es sollte in dieser Legislaturperiode eigentlich ein Demokratiefördergesetz auf den Weg gebracht werden, welches bis heute nicht verabschiedet wurde – und wird vermutlich auch nicht mehr verabschiedet wird. Stattdessen wird nun über Abschiebungen, Grenzkontrollen und Rückführungen diskutiert, was in Sachen Extremismusprävention nur kontraproduktiv ist.
Quelle: https://mediendienst-integration.de/artikel/was-hilft-gegen-islamistische-radikalisierung.html