Gespräch mit Hendrik Cremer: Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist.

24. Februar 2025

Der Saal ist voll, 120 Interessierte sind zu der Veranstaltung mit Hendrik Cremer, zu der „Unser Oberberg ist bunt“ und das Netzwerk gegen Rechts am 20. Februar 2025 eingeladen hatten, gekommen. Nach einer kurzen Anmoderation von Nadine Lindörfer, interviewt Gerhard (Oberberg ist bunt) den eingeladenen Autor und Jurist Hendrik Cremer. 

Cremer beschäftigt sich seit Jahren mit der AfD. zunächst in wissenschaftlichen Arbeiten und nun auch in seinem neuen Buch (Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen – Wie gefährlich die AfD wirklich ist). Mit diesem möchte er eine breite Öffentlichkeit erreichen, um über die Strategien der AfD zu informieren, denn ein zentrales Problem im Umgang mit der AfD sei es, dass sie unterschätzt wird. Sowohl von verschiedenen Leitmedien als auch von der Bevölkerung.

Das Interview beginnt bei den Grundlagen. 

Warum ist die AfD insgesamt und nicht nur in Teilen rechtsextrem? 

Cremer stellt klar: Diese Partei ist rechtsextrem, weil sie menschenverachtende Positionen vertritt. Sie richtet sich gegen die Demokratie und den Rechtsstaat. Gegen Art.1 des Grundgesetz. In den letzten Jahren sind Gegenstimmen in der eigenen Partei verschwunden und die AfD steht geschlossen hinter Faschisten wie Höcke, gegen den noch 2017 ein Parteiausschlussverfahren geführt wurde, in dem er klar als Nationalist benannt wurde.

Die zweite Frage richtet sich an die Entwicklung der AfD.

Von 2013 als eurokritische Partei, hat sie sich bis heute sehr schnell immer weiter radikalisiert. Bereits 2015 sind viele Gründungsmitglieder aufgrund der nationalistischen radikalisierten Strömung ausgetreten. 

Während 2017 noch ein Parteiausschlussverfahren gegen Bernd Höcke aufgrund seiner faschistischen Ansichten lief, werden diese Positionen heute von der Partei gedeckt. Seit 2022 gibt es keine Gegenstimmen mehr in der Partei: Rechtsextreme Ansichten sind in der Partei heute Konsens.

Gerhard wirft ein: Auch im Oberbergischen Kreis ist die Radikalisierung der AfD zu spüren. Spitzenkandidat Bernd Rummler positionierte sich vor einigen Jahren noch klar gegen Höcke. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. 

Cremer kommt nun auf die Kernaussagen aus seinem Buch zu sprechen.  Er deckt verschiedene Strategien, der AfD auf.

Ein wichtiger Bestandteil ist die Gewöhnung an Tabubrüche. Die Wiederholung rassistischer Aussagen dient dazu, diese in die Gesellschaft hineinzutragen und sie zu normalisieren.

Die Präsenz in Talkshows und anderen Medienformaten kritisiert Cremer scharf, da dies dazu führt, dass sie auf eine Ebene mit demokratischen Parteien gestellt würden – obwohl sie letztlich demokratische Freiheiten abschaffen wollen. Die Strategie hat Erfolg. Die AfD wird nur noch selten als rechtsradikal bezeichnet und ihre Ziele: die Abschaffung der Demokratie und Menschenrechte kommen im Diskurs kaum an.

Aber wie können Bürger*innen selbst etwas tun?

Demokratische Parteien müssen sich strikt von der AfD abgrenzen. Diese Partei versucht von Kommunen und Landtagen aus an Einfluss zu gewinnen und tut das auch. Es muss immer wieder erklärt werden, warum es wichtig ist sich abzugrenzen. Es braucht Bildungsarbeit, um die AfD zu bekämpfen. Es braucht lokale Bündnisse wie hier! Weil es besonders auf die Auseinandersetzung auf lokaler Ebene ankommt. Mehr Menschen müssen erkennen was auf dem Spiel steht und merken, dass es sie selbst treffen könnte. Die AfD hat viele Gesichter und passt sich den Situationen an. Auch wenn im Kern die Menschenverachtung steht, zeigen viele Funktionäre sich nach Außen freundlich und höflich. Im ländlichen Raum gibt sie sich als Kümmerer und Bürger*innennah und das funktioniert. Lokale Bündnisse wie sie im OMK zu sehen sind können jedoch einen Unterschied machen.

Der Abend endet mit Fragen aus dem Publikum. Viele möchten sich mitteilen oder etwas loswerden. Menschen, die sich bereits auf verschiedenen Ebenen engagieren und das Gefühl haben mehr und mehr zu verlieren. Es werden Fragen zur Wahlbeteiligung und Abgrenzung der Parteien gestellt. Für Cremer steht fest: von der Partei sollte man sich klar abgrenzen, nicht aber von den Wähler*innen. Es gibt viele Motive die AfD zu wählen und die meisten Menschen können wir noch erreichen.

Zum Abschluss appelliert Nadine Lindörfer (Netzwerk gegen Rechts) an alle, sich weiterhin gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Mit Besorgnis weist sie darauf hin, dass die Zukunft wichtiger Institutionen wie des Netzwerks selbst ungewiss ist. Trotz der wachsenden Bedrohung durch rechtsextreme Strömungen läuft die Finanzierung Ende 2025 aus und es bleibt offen, ob die staatliche Förderung für Demokratie und Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus fortgesetzt wird. Lindörfer betont die Dringlichkeit, gerade in diesen herausfordernden Zeiten, wachsam zu bleiben und sich gemeinsam für eine offene, demokratische Gesellschaft einzusetzen.

Und hier könnt ihr euch den Beitrag von Oberberg ist bunt ansehen:

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