Die Neue Rechte – Ein Überblick

6. Juli 2023

Die Neue Rechte in Deutschland ist eine politisch-intellektuelle Strömung, die sich in ihren Grundsätzen auf Theoretikerinnen der Vor- und Zwischenkriegszeit bezieht. Sie ist kein einheitlicher Club mit eindeutiger Mitgliedschaft, sondern eher ein Netzwerk von verschiedenen Akteurinnen. Im Vergleich zur „alten“ Rechten werden klassische Rhetorik und extremistische Phrasen abgewandelt oder ausgetauscht. Statt offen von einer überlegenen „Rasse“ zu sprechen, wird nun von einer überlegenen Kultur gesprochen. Die Neue Rechte präsentiert sich mit einer anschlussfähigeren Ausdrucksweise und Präsentation und können so bis in der „Mitte“ der Gesellschaft Zustimmung finden.

Die Neue Rechte ist breit aufgestellt und heterogen, weswegen auch von Neuen Rechten im Plural gesprochen wird. Verschiedene Teile der Neuen Rechten nutzen unterschiedliche Argumentationen um verschiedene Adressat*innen zu erreichen, so gibt es unter anderem christlich-fundamentalistische, national-revolutionäre oder jungkonservative, die alle ihren eigenen Stil und damit auch eine eigene Zielgruppe in der Gesellschaft haben.

Gemeinsam ist ihnen aber eine Abkehr von “alten” rechten Strategien und Redeweisen, die für die Gesamtgesellschaft nicht mehr anschlussfähig sind. Die Inhalte bleiben aber weitestgehend bestehen, sind weiterhin nationalistisch, rassistisch, sexistisch oder sonst wie menschenfeindlich.

Die Neue Rechte in Deutschland kritisiert die Liberalisierung gesellschaftlicher Normen und Institutionen. Sie betrachtet den aktuellen Zustand der Gesellschaft als einen Identitätsverlust, den es zu überwinden gilt. Die Neue Rechte strebt die Wiederherstellung vermeintlich „verlorener“ Werte an, darunter völkischer Nationalismus, kulturelle Homogenität, eine binäre Geschlechterordnung mit „klassischer“ Rollenverteilung und die Vorstellung einer völkischen Überlegenheit. Politische Ziele werden oft vage formuliert, während gleichzeitig viele Aspekte der aktuellen Gesellschaftsstrukturen abgelehnt und reißerische Feindbilder konstruiert werden.

Neu-rechte Strategien

Ihre Strategien beziehen die Neuen Rechten nicht nur aus klassisch rechten Sphären, sondern teilweise auch von linken Theoretiker*innen, wie beispielsweise Antonio Gramsci. Besonders seine Hegemonietheoretischen Überlegungen finden Anklang bei den Neuen Rechten.

Hegemonie bezieht sich auf die Vorherrschaft einer bestimmten politischen, kulturellen oder sozialen Gruppe. Diese Vorherrschaft wird nicht nur durch politische und wirtschaftliche Macht erreicht und gefestigt, sondern auch durch den Einfluss auf die Ideen, Werte und Kultur einer Gesellschaft.

Sein Verständnis von kultureller Hegemonie machen sich heute viele Akteur*innen der Neuen Rechten zugute und versuchen aktiv und bewusst Deutungshoheiten zu gewinnen und Themen zu setzen. Am Stammtisch, in den Medien und im Hörsaal. Dieses Prinzip nennt sich Metapolitik und setzt weniger auf die schnellen kurzfristigen Erfolge, als auf eine langsame Umgestaltung gesellschaftlicher Werte und Ideale. Durch ihre Aktivitäten in den Bereichen Medien, Kultur und Bildung versuchen sie, eine rechte kulturelle Hegemonie zu etablieren. Dieser Ansatz ermöglicht es der Neuen Rechten, ihre Ideen subtil und langfristig in den gesellschaftlichen Mainstream zu integrieren und politischen Einfluss zu gewinnen.

Sie nutzen gezielt Medien, Online-Plattformen und soziale Netzwerke, um ihre Ideen und Narrative zu verbreiten. Sie schaffen alternative Informationskanäle, die eine verzerrte Sichtweise auf politische und soziale Themen bieten.

Die Netzwerkbildung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle für die Neue Rechte. Sie sind gut vernetzt, sowohl untereinander als auch nach außen. Sie haben eigene Medienkanäle aufgebaut, Verlage und Thinktanks gegründet. Mit der Alternative für Deutschland (AfD) haben sie eine politische Partei im Bundestag und anderen politischen Institutionen, stellen neuerdings einen Bürgermeister und einen Landrat. Zudem verfügen sie über eigene Institute, welche die Kreise mit vermeintlich Wissenschaftlichen Studien versorgt -alles finanziert von reichen Geldgeber*innen. Auch international sind die Neuen Rechten gut vernetzt und tauschen Erfahrungen und Ideen mit anderen rechten Bewegungen aus.

Die Neue Rechte präsentiert sich mit einer veränderten Rhetorik und einer deutlich intellektualisierten ideologischen Basis. Es fällt auf, dass sie untereinander stark vernetzt sind, sich gegenseitig lesen, publizieren und zu Veranstaltungen einladen.

In der Gesamtgesellschaft sind bestimmte Ideen der Nationalsozialist*innen nicht mehr akzeptiert. Die Neuen Rechten reagieren darauf, indem sie weniger von der Überlegenheit vermeintlicher „Rassen“ sprechen, sondern stattdessen kulturelle Überlegenheit betonen. Dieser Kulturrassismus findet in der Gesellschaft eine breite Akzeptanz und bietet den Neuen Rechten die Chance, Menschen aus nicht direkt rechten Kontexten anzusprechen. Dabei werden kulturelle Unterschiede anstelle früherer biologistischer Erklärungen verwendet, um die Ungleichbehandlung bestimmter Menschengruppen zu legitimieren.

Gezielter Erfolg – die Notwendigkeit einer Gegenwehr

Abschließend ist es von entscheidender Bedeutung, den Erfolg neu-rechter Strategien der letzten Jahre als gezielte Strategie zu verstehen und die damit verbundene Gefahr hervorzuheben. Die Tatsache, dass vor kurzem erstmals ein Landrat und ein Bürgermeister von der AfD gewählt wurden, verdeutlicht die Erfolge der Neuen Rechten in Deutschland. Diese Wahlerfolge sind ein alarmierendes Zeichen dafür, dass ihre Ideologie an Zuspruch gewinnt und sie Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse erlangen.

Es ist jedoch auch wichtig anzuerkennen, dass sich der politische Mainstream in den letzten Jahren zunehmend nach rechts verschoben hat. Die Anpassung des Programms anderer demokratischer Parteien wie SPD, Grüne, CDU und FDP an bestimmte Forderungen der AfD hat zu einer Normalisierung neu-rechter Positionen geführt. In dem Bestreben, Wählerstimmen zurückzugewinnen, haben einige etablierte Parteien die Rhetorik und die Themen der Neuen Rechten übernommen. Dies hat zur weiteren Verschiebung des politischen Diskurses nach rechts beigetragen und den Erfolg der Neuen Rechten begünstigt.

In der öffentlichen politischen Debatte werden Themen wie Migration, Sicherheit und nationale Identität vermehrt auf eine Weise diskutiert, die der Agenda der Neuen Rechten zuspielt. Dieser Schwenk nach rechts in der politischen Landschaft hat zur Entstehung eines Klimas beigetragen, das populistische, nationalistische und rassistische Handlungen begünstigt. Dies stellt eine ernsthafte Gefahr für die demokratischen Grundwerte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar.

Als Bürger*innen müssen wir aktiv an der politischen Debatte teilnehmen und für eine demokratische Zukunft eintreten. Wir müssen uns gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Extremismus stellen und für eine Gesellschaft eintreten, die auf Vielfalt und Solidarität basiert. Die Verschiebung des politischen Mainstreams nach rechts ist ein Weckruf und er ist gezielt vorangetrieben worden, mit Erfolg. Wohin die Strategien der Neuen Rechten führen sollen, kann offen in ihren Publikationen und Blogs nachgelesen werden. Damit es nicht dazu kommt braucht es Gegenwehr, ein Verstehen dieser Strategien und einen ehrlichen Blick auf unsere Gesellschaft. Lasst uns gemeinsam für eine politische Landschaft eintreten, in der extremistische Ideologien keine Unterstützung finden und in der alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Identität gleiche Chancen haben.

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